Kreisarchäologie Archäologie im zentralen Elbe-Weser-Dreieck

Großsteingräber

Großsteingräber sind die ältesten von Menschenhand gefertigten Denkmale unserer Region, die bis in heutige Tage obertägig sichtbar sind. Die aus großformatigen Findlingen errichteten Bestattungsplätze werden auch als Megalithgräber (altgriechisch mega = groß und lithos = Stein) bezeichnet. Sie besitzen eine mehr oder minder große Kammer, deren Seiten senkrecht stehende Findlinge bilden. Der Raum zwischen den Findlingen wurde sorgfältig mit Trockenmauerwerk verfüllt, so dass der Eindruck einer geschlossenen Steinwand entstand. Den oberen Abschluss bilden großformatige Decksteine. Anschließend wurden sie mit Erde überhügelt. Der Hügel konnte rund oder langrechteckig sein. Großsteingräber erschienen bei uns in etwa mit der jungsteinzeitlichen Trichterbecherkultur ab der Zeit von ca. 3500 v. Chr. und wurden bis ca. 3200 v. Chr. errichtet. Genutzt wurden sie aber bis zum Ende der Trichterbecherkultur – für Nachbestattungen auch wesentlich länger.

Beinhaus oder Grablege

Bei Großsteingräbern handelt es sich um Kollektivgräber, in denen über einen längeren Zeitraum die Verstorbenen eines Dorfes oder einer Siedlungsgemeinschaft bestattet wurden. Daher besitzen sie einen kleinen verschließbaren Eingang (zumeist an der Südseite), durch den die Kammer kriechend betreten werden konnte, um eine weitere Bestattung einzubringen. Ältere Bestattungen wurden dann zur Seite geschoben oder – wenn die Belegung des Grabes bereits zu umfangreich war – ausgeräumt und benachbart zum Großsteingrab in Gruben deponiert. Es ist noch nicht abschließend geklärt, ob die Großsteingräber als eigentliche Grablege oder als eine Art Beinhaus genutzt wurden. Für beide Deutungen gibt es nachgewiesene archäologische Befunde. Vermutlich fand beides Anwendung: die primäre Grablege und die Niederlegung skelettierten Materials von einem anderenorts durchgeführten Bestattungsritual (sekundäre Bestattung).

Am Ende ihrer regulären Nutzung wurden sie oftmals ein letztes Mal von der Einzelgrabkultur und/oder Glockenbecherkultur als Grabstätte genutzt. Hierzu wurde der Inhalt der Grabkammer ausgeräumt oder mit einer Sandschicht überdeckt. Die typische Bestattung der Einzelgrabkultur befindet sich aber dennoch weiterhin unter einem Grabhügel. Die erneute Nutzung der Großsteingräber verdeutlicht hier vielleicht eine Anknüpfung an Traditionslinien und Wertschätzung der Ahnen. Diese Nähe zu realen oder fiktiven Ahnen wird auch noch in späterer Zeit gesucht. So befinden sich nicht selten Gräberfelder späterer Epochen im unmittelbaren Umfeld von Großsteingräbern. Vielleicht sollten damit auch eigene Besitzansprüche gerechtfertigt und verfestigt werden. Eine ähnliche Begründung von Rechts- und Besitzverhältnissen findet sich mancherorts bis weit in die Neuzeit.

Bestattungsplatz, Landmarke, Grenzmarkierung

Großsteingräber dienten nicht nur als Bestattungsplatz, sondern waren aufgrund ihres weithin sichtbaren Äußeren auch Landmarke. Die auch für den Laien gut erkennbaren Monumente zogen schon früh Spekulationen über deren Herkunft auf sich. So glaubte man früher, hierin das Werk von Riesen zu finden. Man konnte sich nicht vorstellen, dass derart große Steine von Menschen transportiert werden konnten. Durch Vergleiche zu anderen Völkern und experimentelle Untersuchungen ist heute jedoch bekannt, dass der Transport eigentlich kein Problem ist, wenn man spezielle Techniken beherrscht. Auch tonnenschwere Findlinge können ohne übermäßigen Kraftaufwand auf einer Rollen- und Schlittenkonstruktion bei gefrorenem Boden transportiert werden. Die Decksteine hat man entweder über eine Rampe hochgezogen oder sie mit einer Unterkonstruktion aus Holz und dem Einsatz der Hebelkraft Stück für Stück auf die erforderliche Höhe befördert. Dies verdeutlicht aber auch, dass es wohl Spezialisten waren, die diese Großsteingräber errichtet haben.

Die letzten ihrer Art

In späterer Zeit wurde die gute Sichtbarkeit den Großsteingräbern zum Verhängnis. Man nutzte sie gerne zur Gewinnung von Baumaterial (Sand und Steine). Besonders in der Zeit des Straßen- bzw. Chausseebaus wurden viele Großsteingräber zerstört und deren Findlinge zerkleinert. Aber auch für Hausfundamente, Kirchen, Brücken, Burgen oder Hofeinfassungen griff man gerne auf das Material der Großsteingräber zurück. Von den einstmals Hunderten von Anlagen im Elbe-Weser-Dreieck haben sich daher nur wenige – vermutlich weniger als ein Zehntel – erhalten.